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Die kommunale Selbstverwaltung in Griechenland – Ein Überblick

Statistische Zahlen

Griechenland hat nach der letzten statistischen Erhebung in 2011 eine Gesamtbevölkerung von ca.11 Mio. Einwohnern. Die größten Städte in Griechenland sind in absteigender Reihenfolge Athen(ca. 3 Mio. Einwohner), Thessaloniki Stadt (ca. 820.000), Patras (ca.214.500), Heraklion (ca. 173.500), Larisa (ca. 163.000) und Volos (ca.144.000).

Griechenland ist in 13 Regionen (“Peripherien”) plus der autonomen Mönchsrepublik Athos aufgegliedert. Die Regionen mit den meisten Einwohnern sind Attika mit ca. 3,81 Mio. und Zentralmakedonien mit ca. 1,87 Mio., welche gleichzeitig auch die höchste Bevölkerungsdichte aufweisen. Die Regionen / Peripherien untergliedern sich ihrerseits in Regionsbezirke („periferiakesenotites“), diese wiederum in Gemeinden und Ortschaften („kinotita“).

Ebenen der kommunalen Selbstverwaltung in Griechenland:

Die Grundregeln der kommunalen Selbstverwaltung sind im griechischen Grundgesetz (Syntagma) normiert. Danach sind.

Die Gebietsreform “Kallikratis” (Gesetz N3852/2010)

Nach der letzten Gebietsreform auf der Grundlage des Gesetzes N3852/2010,dem sog. Kallikratis” (Kallikratis war der Architekt des Parthenon auf der Akropolis), bestehen seit 2011 in Griechenland nunmehr dreizehn Regionen / Peripherien, ohne die autonome Mönchsrepublik Athos.

Sie unterteilen sich wiederum in Regionsbezirke / periferiakes enotites, welche mit den Präfekturen (“nomos” plural “nomoi”) weitestgehend identisch sind. Durch die Gebietsreform „Kallikratis“ wurden die Gemeinden (erste Verwaltungsebene / protos vathmos topikis autodiikisis) nunmehr zu 325 Gemeinden zusammengelegt und die 76 Verwaltungsbezirke der zweiten Ebene (defteros vathmos topikis autodiikisi) durch die dreizehn Regionen ersetzt. Die Grenzen der vereinigten Altgemeinden, Präfekturen und Regionen wurden bei der Zusammenlegung beibehalten.

Mit der Gebietsreform wurden umfangreiche Kompetenzen dezentralisiert und auf die Gemeinden und Regionen übertragen, sowie mehr finanzielle Mittel der kommunalen Selbstverwaltung zugeteilt.

Die Gemeinden – “dimoi / kinotites” – Erste Verwaltungsebene („Protos vathmos topikis autodiikisis)

Den Gemeinden als territorialen Einheiten ist gem. Art. 102 der griechischen Verfassung die Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung übertragen.

Rechtliche Grundlage für die Organisation und Funktion der Gemeinden (erste Verwaltungs ebene) ist der “Dimotikos kai kinotikos kodikas” (vgl. Gemeindeordnung).Sie wurde letztmals mit dem Gesetz 3463/2006 kodifiziert und aufgrund der Gebietsreform “Kallikratis” durch das Gesetz 3852/2010 im Jahre 2011umfangreich modifiziert.

Im “dimotikos kai kinotikos kodikas” werden u.a. die umfangreichen Zuständigkeiten und Aufgaben der Gemeinden geregelt. Über ihre eigenen Aufgaben hinaus können die Gemeinden auch hoheitliche Aufgaben der Zentralverwaltung übernehmen, soweit ihnen diese übertragen werden.

Nach der letzten Gebietsreform “Kallikratis” existieren nur noch325 statt der bisherigen 1034 Gemeinden. Unter dem Begriff Gemeinden im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung werden auch Städte erfasst. Bei den Gemeinden handelt es sich weitgehend um Einheitsgemeinden, welche aus der Zusammenlegung mehrerer Altgemeinden entstanden sind. Sie entsprechen der LAU 1 Ebene der EU (local adminstrative unit) und bilden die erste Verwaltungsebene der zweigliedrigen kommunalen Selbstverwaltung (protos vathmos topikis autodiikisis). Die Mindestgröße einer Gemeinde beträgt 10.000 Einwohner.

Die Gemeinden untergliedern sich je nach ihrer Gebietskörperschaft in ihre Gemeinde.- bzw. Ortsteile / “dimotikes enotites”. Bei diesen Gemeindeteilen handelt es sich um ursprünglich selbständige Altgemeinden, welche im Zuge der Gebietsreformen “Kapodistrias” und jetzt “Kallikratis” ihre Selbständigkeit aufgeben mussten und Teile einer benachbarten oder neu geschaffenen Einheitsgemeinde wurden. Der frühere Begriff “kinotita” wurdef ür Ortschaften mit einer niedrigeren Einwohnerzahl verwendet.

So wurde z.B. die ursprünglich selbständige Ortschaft / “kinotita” Angelohorizuerst über die frühere Gebietsreform “Kapodistrias” gemeinsam mit der Nachbarortschaft Kerasia in die Gemeinde / “dimos” Nea Michaniona eingemeindet. Mit der neuen Gebietsreform Kallikratis wurden nun die Gemeinden Nea Michaniona, Epanomi und Thermaikos zur Einheitsgemeinde “Dimos Thermaikou“ zusammengelegt.

Organe der Gemeinde sind der Bürgermeister, der Gemeinderat, der Bürgermeisterausschuss (Finanzausschuss und Ausschuss für Lebensqualität).

Die Bürgermeister werden alle fünf Jahre von den Gemeindemitgliedern gewählt. Ferner verfügen die Gemeindeteile über Ortschaftsräte, welche aber nur beratende Funktion ohne Entscheidungskompetenz haben. Die stellvertretenden Bürgermeister werden in Abhängigkeit von der Anzahl der Gemeindemitglieder bestellt.

Die Gemeinden sind nach der Gebietsreform nunmehr auch zB für die Erteilung von Baugenehmigungen und Betriebserlaubnissen / Konzessionen, die gesamte Fürsorge, die Errichtung von Schulgebäuden, die Förderung der Agrarwirtschaft etc. zuständig.

Die Gemeinden dürfen nach dem griechischen Grundgesetz keine eigenen Steuern erheben. Sie erhalten 12% der Umsatzsteuer, 50% der Immobiliensteuer für große Vermögen und 20% der Einkommens- und Körperschaftssteuer natürlicher und juristischer Personen.

Mit der PV 75/2011 wurde der rechtliche Rahmen für Regionalverbände der Gemeinden „PED“ (Periferiakes Enosis Dimon) und dem Zentralverband griechischer Gemeinden „KEDE“ (Kentriki Enosi Dimon Ellados) geschaffen. Für jede Peripherie existiert ein Gemeindeverband. Es besteht Zwangsmitgliedschaft der Gemeinden bei den jeweiligen Gemeindeverbänden PED sowie der Gemeindeverbände PED beim Zentralverband der Gemeinden KEDE.

Die Regionen / Peripherien –Die zweite Verwaltungsebene der kommunalen Selbstverwaltung („defteros vathmos topikis autodiikisis“).

Die zweite Verwaltungsebene besteht aus den folgenden 13 Peripherien, welche sich wiederum in Regionsbezirke untergliedern. Letztere entsprechen Territorial den Präfekturen.

  1. Peripherie Ostmakedonien und Thrakien mit Sitz in Komotini(Regionsbezirke / periferiakes enotites: Präfekturen Drama, Evros, Kavalla, Xanthi und Rodopi)
  2. Peripherie Zentralmakedonien, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Imathia, Thessaloniki, Kilkis, Pieria, Pella, Serres und Chalkidiki. Sitz der Präfektur Zentralmakedonien ist Thessaloniki
  3. Peripherie Westmakedonien, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Grevena, Kastoria, Kozani und Florina, mit Sitz in Kozani.
  4. Peripherie Epirus, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Arta, Thesprotia, Ioannina und Preveza, mit Sitz in Ioannina.
  5. Peripherie Thessalien, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Karditsa, Larisa, Magnisia und Trikala, mit Sitz in Larisa.
  6. Peripherie Ionische Inseln, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Zakynthos, Kerkyra (Corfu), Kefallinia und Lefkada, mit Sitz in Kerkyra.
  7. Peripherie Westgriechenland, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen, Ätoloakarnania, Achaia und Ilias, mit Sitz in Patras.
  8. Peripherie Zentralgriechenland, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Böotien, Euritanien, Fthiotida und Fokida, mit Sitz in Lamia.
  9. Peripherie Attika, bestehend aus dem Regionsbezirk / periferiaki enotita: Präfektur Attika mit Sitz in Athen. (Die Präfektur Athen untergliedert sich in die acht Präfekturbezirke Zentral-, Süd-, Nord- und West-Athen, Piräus, West- und Ostattika, Inseln).
  10. Peripherie Peloponnes, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Argolida, Arkadien, Korinth, Lakonien und Messinia, mit Sitz in Tripolis.
  11. Peripherie Nördliche Ägäis, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Lesbos, Samos und Chios, mit Sitz in Mytilini.
  12. Peripherie Südliche Ägäis, bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Kykladen und Dodekanes, mit Sitz in Ermoupolis (Syros).
  13. Peripherie Kreta bestehend aus den Regionsbezirken / periferiakes enotites: Präfekturen Heraklion, Lasithi, Rethymnon und Chania, mit Sitz in Heraklion.
  14. Autonome Mönchsrepublik Athos.

Organe der Region / Peripherie sind der Peripheriarch, der stellvertretende Peripheriarch, der Rat der Peripherie, der Finanzausschuss und das Exekutivorgan. Jeder Regionsbezirk / „periferiaki enotita“ verfügt über einen stellvertretenden Peripheriarchen. Jede Region / Peripherie verfügt über die eigenen Leistungen und über einen eigenen Finanzhaushalt. Die Peripheriarchen werden alle fünf Jahre von den Einwohnern der jeweiligen regionszugehörigen Gemeinden gewählt.

Die Organisation jeder einzelnen Peripherie wird in jeweils gesonderten Präsidialverordnungen geregelt, die für jede Peripherie gesondert erlassen wurden. (zB PV 133/2010 Organisation der Peripherie Zentralmakedonien, PV 131/2010 Organisation der Peripherie Peloponnes, PV 147/2010 Organisation der Peripherie der Ionischen Inseln, PV 144/2010 Organisation der Peripherie Ostmakedonien und Thrakien, PV 145/2010 Organisation der Peripherie Attika, PV 132/2010 Organisation der Peripherie Westgriechenland, PV 137/2010 Organisation der Peripherie Nördliche Ägäis uw.)

Gegenstand dieser Verordnung sind unter anderem die interne Organisation und die Kompetenzverteilung innerhalb der Region / Peripherie. Die Region / Peripherie verfügt u.a. über Fachausschüsse für Wirtschaft, Umwelt und Infrastruktur, Agrarwirtschaft der Peripherie, Gesundheit und Fürsorge. Die Regionen / Peripherien verfügen nunmehr über umfangreiche Kompetenzen, u.a. für den Aufbau und die Entwicklung der Region, sowie der Planung und Durchführung regionaler Großprojekte.

Darüber hinaus verfügt die interne Organisation über eine eigene Rechtsabteilung, Revision, Zivilschutz, Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit usw. Die Organisation und Zuständigkeiten des Finanz- und Exekutivorgans wurden ebenfalls in gesonderten Verordnungen geregelt.

Die Regionen / Peripherien erhalten4% der Umsatzsteuer und 2,4% der Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer natürlicher und juristischer Personen.

Die Kompetenzen des Rates der Peripherie sind in der Verordnung vom 6. April 2011 geregelt, welche vom Innenministerium auf der Grundlage der Artikel 167 und 282 des Gesetzes 3852/2010 (KALLIKRATIS) erlassen wurde.

Mit der PV 74/2011 wurde der rechtliche Rahmen für einen Verband der Regionen unter dem Namen EN.PE (Enosi Periferion – Verband der Regionen) mit Sitz in Athen geschaffen.

Mehrere Regionen / periferies werden in “dezentralisierteVerwaltungsbezirke” / “apokentromeni diikisi” zusammengefasst. Da diesejedoch keine Organe der kommunalen Selbstverwaltung, sondern Organe derstaatlichen Zentralverwaltung sind, wird auf diese hier nicht weitereingegangen.

Begriffsbestimmung:
Dimos (plural dimoi)Gemeinde (auch Städte i.S. der komm. Selbstverw.)
Dimotikes enotitesGemeindeteile
Dimotikos kai kinotikos kodikasvergleichbar mit der Gemeindeordnung (zentral)
EN.PE. enosi periferionVerband der Regionen
KEDE Kentriki enosi Dimon ElladasZentralverband der Gemeinden Griechenlands
KinotitaOrtschaft
NomosPräfektur
Organismoi topikis autodiikisisOrganisationen der kommunalen Selbstverwaltung
PED (periferiaki enosi dimon)Regionalverband der Gemeinden
Peripheriakes enotitesRegionsbezirke
PeripherieRegion
PeripheriarchRegionsleiter, Leiter der Peripherie
Protou kai defterou vathmouPräsidialverordnung
PV – proedriko diatagmaPräsidialverordnung
Topiki autodiikisikommunale Selbstverwaltung

(Stand: November 2012. Alle Angaben erfolgen unter Vorbehalt und ohne Gewähr.)