Weblog KPAG Kosmidis & Partner – die deutschsprachige Anwaltskanzlei in Griechenland

Focus-Artikel über Griechenland hat gerichtliches Nachspiel

Publiziert am 27.April.2011 von Abraam Kosmidis

13 Journalisten des deutschen Magazins FOCUS werden sich wegen eines Anfang 2010 publizierten Artikels über Griechenland vor der griechischen Justiz verantworten müssen.

Am 24.2.2010 berichteten wir in unserem Blog über den im Magzin "Focus" (Ausgabe 08/10)  erschienen Artikel über Griechenland mit dem Titel "Betrüger in der Euro-Familie" nebst der auf der Titelseite dieser Ausgabe abgebildeten Aphrodite von Milos mit einem erhobenen Mittelfinger. Dieser Artikel wird nun ein gerichtliches Nachspiel in Griechenland haben.

Im Juni 2011 werden sich 13 Journalisten des Magazins "Focus" für den Artikel und die Abbildung vor einem griechischen Gericht verantworten müssen, denn es wurde von einer Gruppe griechischer Rechtsanwälte Strafanzeige eingereicht. Die Verhandlung findet vor der dreigliedrigen Strafkammer in Athen statt, Anklage wurde wegen Verleumdung, übler Nachrede durch die Presse, Verunglimpfung des griechischen Staates und seiner Symbole, sowie wegen Beleidigung erhoben.

Gegenstand des Prozesses sind zahlreiche Artikel im Magazin und Internet sowie die bekannte Titelseite des Magazins Focus vom 22.02.2010, auf welcher eine altgriechische Statue der Aphrodite von Milos in verunstalteter Form dargestellt wurde.  Eine zerrissene Flagge des griechischen Staates, mit welcher der Körper der Statue unterhalb des Bauches bedeckt war, sowie der berühmt gewordene "gestreckte Mittelfinger" der altgriechischen Statue – in Verbindung mit der Überschrift des Titelblattes "Betrüger in der EURO-Familie" - gaben den Anlass zur Strafverfolgung, nachdem eine Gruppe von Rechtsanwälten in Athen Anzeige erstattet hatte. Begründet wurde die Anzeige damit, dass die vorgenannten Handlungen nicht nur  den Sinn der Flagge und damit das griechische Staatssymbol verfälschen, vielmehr wurde insbesondere die Ehre des griechischen Volkes verletzt.

Griechische Rechtsanwälte fordern Schadenersatz und Entschuldigung

In zahlreichen weiteren Artikeln des Magazins, die außer in Deutschland und Griechenland in vielen weiteren Ländern veröffentlicht wurden, folgten weitere despektierliche Äußerungen, die das griechische Volk mitunter als Betrüger und Steuerhinterzieher, als ein gieriges und ungebildetes Volk darstellten, welches nur von Darlehen leben könne. Die Grenze des Erträglichen wurden zweifellos überschritten als behauptet wurde, dass "die heutigen Griechen nichts mehr mit ihren Vorfahren gemein haben, vielmehr noch, Griechenland verfüge über keinen wichtigen Dichter, Komponisten, Künstler oder Philosophen, die wohl wichtigsten Dichter des heutigen Griechenlands seien die Statistiker, die es geschafft haben, die Eurozone irrezuführen".

Seitens der Anwälte wurde bereits angekündigt, dass im Anschluss an das Strafverfahren auch eine Schadensersatzklage eingereicht wird. Der Grund für das Vorgehen gegen das Blatt Focus, wie wiederholt betont wurde, hat keine politische Zielrichtungen und sei auch nicht gegen die Deutschen gerichtet. Vielmehr gehe es um die moralische Gerechtigkeit. Der Focus solle sich für seine verleumderischen Aussagen und die üble Nachrede öffentlich entschuldigen. Mehr als 200 Anwälte, die sich durch die negative und angreifende Berichterstattung in den Artikeln des Magazins verletzt fühlen, sollen laut einem Bericht am Verhandlungstag Nebenklage einreichen.



Griechenland – Überlegungen zum Focus Artikel „Betrüger in der Euro-Familie“

Publiziert am 24.Februar.2010 von Abraam Kosmidis
imagesDie Titelseite des neuen Focus: „Betrüger in der Euro-Familie“ ist beleidigend, populistisch und für ein Magazin mit dem Anspruch von Focus unwürdig Die Griechen sind überrascht. Überrascht und bestürzt über so viel Feindseligkeit aus einer Seite, von der sie es nicht erwartet hätten. Es geht zum Teil deutlich unter die Gürtellinie. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ heißt es im deutschen Grundgesetz. Das gilt erst recht auch für die Würde einer ganzen Nation und ihrer Kulturgüter. Mit dem Titelblatt des Focus sind die Grenzen des guten Geschmacks deutlich überschritten. Einige der Veröffentlichungen zum Thema „Griechenland Krise“ haben mittlerweile unterstes Niveau erreicht. Man fragt sich, was die auf der aktuellen Titelseite des Focus Magazins https://www.focus.de/magazin/ abgebildete antike Aphrodite von Milos mit einer obszönen Geste und dem daneben stehenden Kommentar „Betrüger in der Euro- Familie“ eigentlich darstellen, bzw. was mit der obszönen Geste eines Kulturdenkmals und dem besagten Text unterstellt werden soll ? Wer ist also mit „Betrüger in der Euro-Familie“ gemeint und wer zeigt wem die obszöne Geste ? Das Sinnbild der Aphrodite steht für das antike Griechenland, welches heute durch den hellenischen Staat repräsentiert wird. Ist es demnach also der griechische Staat, oder gar alle „Griechen“ , auf die sich der Artikel als Nation bezieht, oder was sonst soll durch das reißerische Titelblatt vermittelt werden ? Wird jetzt eine ganze Nation in Sippenhaftung genommen, ohne den wirklichen Ursachen der Krise auf den Grund zu gehen ? Oder sollen gar sinnbildlich die Fundamente und gemeinsamen Werte der europäischen Kultur, welche zum Teil ihren Ursprung in der griechischen Antike haben, erschüttert werden ? Wer kann daran ein Interesse haben ? Diese Art von Journalismus ist beleidigend, populistisch und diskriminierend. Für ein Magazin mit dem Anspruch des Focus unwürdig. Ein gemeinsames, starkes Europa stellt eine Einbahnstraße ohne Alternative für die Zukunft der Europäer dar. Der Traum von einem großen Europa gerät aber ins Wanken. Die Europa-Gegner freuen sich und reiben sich die Hände. Viel zu schnell erklang doch der Ruf danach, dass Griechenland jetzt „raus aus der EU und der Eurozone“ solle. Man kann sich nur noch verwundert die Augen reiben:  Das kann doch alles einfach nicht wahr sein. Bei der erst besten Gelegenheit scheinen bestimmte Kreise die EU in eine existenzielle Krise hineinreden zu wollen. Wer profitiert davon ? Was soll aus der EU überhaupt einmal werden, wenn gegenüber einzelnen Staaten sofort der Ruf nach drastischen Maßnahmen erklingt. Wo bleibt die Solidarität und der Zusammenhalt unter den EU-Staaten ? Überhaupt der Begriff „PIIGS“ Staaten. Die Abkürzung steht für Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Ist die Abkürzung zufällig gewählt und wenn ja, wieso hat man nicht zB „GIIPS“ gewählt um naheliegende Assoziationen zu vermeiden ? Ist das alles nur Zufall, fragt man sich. Die neue Qualität des Umgangs miteinander, welcher in dieser Form bislang noch nicht bekannt war, ist jedenfalls beängstigend. Fest steht, dass die finanzielle Krise nicht in Griechenland sondern in den USA begonnen hat. Der dadurch ausgelöste „Tsunami“ musste früher oder später auch in Griechenland ankommen. Die in Griechenland zweifellos seit Jahren vorhandenen Probleme wurden in der Vergangenheit nicht von der ausländischen Presse thematisiert oder bestenfalls als Randnotiz aufgegriffen. Warum ist Griechenland also ausgerechnet jetzt und in dieser Schärfe in den Mittelpunkt geraten ? Andere Länder haben ähnliche Probleme, stehen aber sprichwörtlich nicht im „Focus“. Darüber hinaus sind die Texte und Darstellungen zum Teil despektierlich, beleidigend und entwürdigend, und mittlerweile auch weit entfernt von objektivem Journalismus. Es fällt nach alledem schwer zu glauben, dass „nur“ die Spekulanten mit ihren finanziellen Interessen hinter allem stecken sollen und nicht etwa die Kräfte, welche ein Interesse am Auseinanderbröckeln der EU-Gemeinschaft haben. Viel verheerender ist jedoch der Eindruck, welcher durch diese Behandlung des EU-Mitgliedsstaates Griechenland (immerhin seit 1981 Mitglied) auf die EU insgesamt projiziert wird: Es soll der Eindruck vermittelt werden, dass sich die EU weit entfernt von einem einheitlichen und stabilen politischen Gebilde befindet und dass die EU lediglich eine lose Interessengemeinschaft zur Verfolgung individueller und nicht kollektiver Interessen darstellt. In „guten“ und in „schlechten“ Zeiten scheint nach dem Willen bestimmter Kreise für diese Schicksalsgemeinschaft nicht zu gelten. Diejenigen, welche jetzt nach drastischen Maßnahmen gegen Griechenland und die übrigen EU-Staaten mit hoher Staatsverschuldung wettern, müssen sich aber im klaren darüber sein, dass das Nationalstaatenmodell zukünftig aller Wahrscheinlichkeit nach ein Auslaufmodell darstellen wird und dass die europäischen Nationalstaaten nur dann eine Chance haben werden, auf der internationalen politischen Bühne mitzureden, wenn es gelingt die Kräfte Europas in einem "gemeinsamen Haus" zu bündelt und zu vereinigen. Nur so wird man in Zukunft gegenüber den aufkommenden Weltmachten wie China, Indien aber auch gegenüber den USA wettbewerbsfähig sein bzw. auf Augenhöhe bleiben können. Mit nationalen Alleingängen wird das nicht zu bewältigen sein. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass die großen Exportnationen, wie zB Deutschland ungleich mehr von der Abschaffung der Handelszölle und dem freien Warenverkehr innerhalb der EU profitieren. Hinzu kommt noch, dass in den Jahren 2004-2008 insgesamt 13% der gesamten Waffenexporte Deutschlands nach Griechenland erfolgt sind. Ein hoher wirtschaftlicher Faktor, auch für deutsche Verhältnisse. Auf die deutsch-griechische Freundschaft war und ist man stets stolz gewesen. Allerdings wird dieser Tage ohne erkennbaren Grund viel Porzellan zerschlagen. Man fragt sich weshalb plötzlich in dieser Schärfe. Auch das sollte man bedenken, wenn man Griechenland und die Griechen kollektiv an den Pranger stellt. Allerdings ist den Foren und Blogs ist zu entnehmen, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen diese Art der Verunglimpfung und Beleidigung einer ganzen Nation durch Teile der Presse ablehnt. Das lässt für die Zukunft hoffen und stellt den positivsten Aspekt in dieser ganzen Sache dar.
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