KPAG • Rechtsanwälte

Sparmaßnahmen und Finanzhilfe für Griechenland sind ohne Investitionen sinnlos

In Griechenland haben sich die staatstragenden Parteien auf ein weiteres Paket an Sparmaßnahmen geeinigt, welches sehr einschneidende Folgen für die bereits stark gebeutelte griechische Bevölkerung mit sich bringt. Über das Paket soll kommenden Sonntag (12. Februar 2012)  im Parlament entschieden werden.

Seit rund zwei Jahren werden fast täglich neue Maßnahmen beschlossen, welche das Land mittlerweile an den Rand der gesellschaftlichen Belastbarkeit und Sozialverträglichkeit gebracht haben. Nun sollen zwischen 2012-2015 gemäß dem jüngsten Maßnahmenpaket weitere Einsparungen von 14,5 Milliarden Euro erzielt werden. Beschlossen wurden u. a. die Senkung der Mindestlöhne um ca. 22%, die Streichung der 13. und 14. Monatsgehälter, die Streichung der Steuerfreibeträge, die Senkung der Mindesteinstiegslöhne um über 30%, die Außerkraftsetzung von Tarifverträgen, weitere Rentenkürzungen etc. Selbst diese Maßnahmen scheinen jedoch nicht auszureichen, um die EU zur Freigabe des Hilfspaketes zu bewegen.

Griechenland muss endlich seine Hausaufgaben machen

Dabei steht außer Frage, dass der Landeshaushalt in Ordnung gebracht und eine tragfähige Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben gefunden werden muss. Natürlich müssen die Ausgaben des Landes in einem Deckungsverhältnis zu seinen Einnahmen stehen. Selbstverständlich müssen hierzu die Privatisierungen unbedingt umgesetzt, die Verwaltung abgespeckt und all diejenigen Maßnahmen umgesetzt werden, welche notwendig sind, damit Griechenland in absehbarer Zeit einen ausgeglichen Haushalt aufweisen und wieder in geordnete Bahnen zurückkehren kann.

Auch ist zutreffend, dass die griechische Politik bislang keine gute Figur bei der Umsetzung der Maßnahmen abgegeben hat. Zähe und langwierige Verhandlungen, Unentschlossenheit, Verzögerungen, Nichteinhaltung von Fristen, Nichtumsetzung von Maßnahmen etc. haben den bisherigen Gang der Entscheidungsfindung gekennzeichnet und die EU-Partner verärgert.

Experimente haben Griechenland in eine tiefe Depression getrieben

Auf der anderen Seite muss jedoch betont werden, dass die Sparmaßnahmen und die Finanzhilfen wirkungslos verpuffen werden, soweit dem Land keine Zukunftsperspektive in Aussicht gestellt wird. Bislang wurde von der EU versäumt, dem Land einen Plan für die nächste Zukunft in Aussicht zu stellen. Wider jegliche Vernunft und gegen alle gängigen Wirtschaftstheorien der freien Marktwirtschaft wurden die - zweifellos ursprünglich selbstverschuldeten - Probleme des Landes erst von der Bankenkrise und der europäischen Finanzkrise verschärft und das Land später in ein beispielloses Abenteuer von "trial and error" Versuchen gestürzt, an welchem die Entscheidungsträger der EU ein hohes Maß an Mitverantwortung tragen. Denn auch die Entscheidungsträger der EU haben sich in den letzten beiden Jahren erst durch Unentschlossenheit und zögerliches Handeln und später durch unausgegorene Rettungspläne ausgezeichnet, ohne eine tatsächliche Zukunftsperspektive für das Land aufzuzeigen.

Es war von Anfang an absehbar, dass alleine nur Sparmaßnahmen ohne flankierende Investitionen, das Land in eine starke Depression stürzen würden. Auch musste man kein Wirtschaftexperte sein um zu erahnen, dass die notwendigen Gehalts- und Rentenkürzungen, Stellenstreichungen und Massenentlassungen zu einem Konsumschwund führen würden, welche über Entlassungen und Wirtschaftsrückgang sich in weiter verminderten Steuereinnahmen niederschlagen würden. Damit war aber auch absehbar, dass Berechnungen über geplante Steuermehreinnahmen, welche zu einem bestimmten Stichtag erfolgt sind, aufgrund des Rückgangs der Wirtschaftsleistung und der infolgedessen versiegenden Steuereinnahmen zu einem späteren Zeitpunkt schon nicht mehr haltbar sein konnten.

Auch ist offensichtlich, dass allein die Aussicht auf die Gewährung eines Hilfspaketes von vielen Milliarden, welche nur für die Bedienung bzw. Umschuldung von Verbindlichkeiten verwendet werden, in keinster Weise zur Generierung von Wachstum und Steuereinnahmen beiträgt. Infolge dieser Umstände bewegt sich das Land deshalb in einer immer schnelleren wirtschaftlichen Abwärtsspirale, bislang ohne Aussicht auf Besserung.

Planloses Vorgehen der EU birgt enorme Sprengkraft für Griechenland und Euroraum

Warum aber stellt die EU die Milliardenhilfe zur Verfügung, ohne dafür zu sorgen, dass auch die Voraussetzungen für die Rückzahlung der Darlehen gewährleistet ist? Weshalb wurde zu keinem Zeitpunkt ein Investitionsplan vorgelegt, welcher konkrete Hilfe für den Aufbau bzw. die Ankurbelung der griechischen Wirtschaft vorsieht? Denn nur über Investitionen könnten Arbeitsplätze geschaffen, Unternehmen entstehen und wachsen, Produkte hergestellt und vertrieben, sowie der Einzelhandel und damit der Konsum belebt werden, was wiederum zu Steuereinnahmen führen würde, welche die Perspektive der Rückzahlung der Darlehen gewährleisten könnten.

Die Zurückhaltung der EU einen solchen Investitionsplan vorzulegen, ähnlich dem Marshall Plan für Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, verwundert sehr, wäre dies doch das einzig probate Mittel, um sozialen Unruhen und die Verarmung des Mittelstandes in Griechenland einzudämmen, dem Land wieder eine Zukunftsperspektive und den Geldgebern des Landes eine Aussicht auf Rückzahlung ihrer Darlehen zu geben.

Die demonstrierte Unfähigkeit der griechischen Politik mit der Krise umzugehen, notwendige und radikale Modernisierungs-, Rationalisierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen, sowie die Interessen des Landes angemessen zu vertreten ist die eine Seite der Münze. Auf der anderen Seite ist aber auch das planlose Vorgehen seitens der EU ebenso unverständlich und birgt sowohl für Griechenland, als auch für den Euroraum und für das Selbstverständnis des europäischen Gedankens enorme Sprengkraft.

Von einem derartigen Verhalten gegenüber einem EU-Mitglied und Euroland kann eine Signalwirkung für die Abkehr vom europäischen Gedanken und der Solidargemeinschaft hin zu einem rein von finanziellen Interessen getriebenen Interessenverband ausgehen, was eine bedenkliche Abwendung vom Grundverständnis der EU darstellen würde. Eine solche Abkehr vom europäischen Gedanken und den gemeinsamen Grundwerten wäre mit Politkern und Kanzlern wie z. B. K. Adenauer, H. Schmidt, H. Kohl, V.G. d´Estaing und Mitterand nicht denkbar gewesen.

Auch wäre die Forderung und Durchsetzung von Sparmaßnahmen um ein Vielfaches einfacher umzusetzen gewesen, wenn sie gleichzeitig mit der Inaussichtstellung einer Zukunftsperspektive für Land und Leute in Form von Investitionen verbunden worden wäre. Nachdem ein solcher Investitionsplan bei der EU bislang kein Thema zu sein scheint und auch keine ernsthaften Pläne zur Wiederaufbauhilfe für die griechische Wirtschaft bekannt geworden sind, fragt man sich verwundert, welche Vorstellungen über die Zukunft des Landes in der Belletage der EU eigentlich wirklich bestehen.


12 Antworten zu “Sparmaßnahmen und Finanzhilfe für Griechenland sind ohne Investitionen sinnlos”

  1. Tacheles sagt:

    Liebe Griechen, tretet doch bitte aus dem Euro aus.
    Dann könnt Ihr wieder Drachmen drucken, so viele Ihr wollt, so wie früher und braucht nicht mehr zu sparen.

  2. Tacheles sagt:

    Investitionen in Griechenland hat es doch schon immer gegeben, gefruchtet hat es wenig.
    Die griechische Wirtschaft hat seit EU-Beitritt rund 70 Mrd. Euro an Strukturhilfen erhalten und fast ebenso viel hat die griechische Landwirtschaft bekommen.
    Wer behauptet durch so eine Art Marshallplan dem Land helfen zu können, der verkennt die Lage.

  3. Deutsch-griechische Freundschaft sagt:

    Lieber Berni
    Die EU und der EURO Raum wurden ursprünglich nicht als einfacher Finanzverbund konzipiert, sondern als Solidargemeinschaft mit gemeinsamen Werten. Die Geschehnisse des 2. Weltkriegs sollten sich nicht mehr wiederholen können und Europa zu einer Einheit zusammenwachsen. Heute ist die EU zu einem reinen Finanzverbund ohne Regelungswerk für die übrigen Bereiche verkommen, welche für ein zusammenwachsen Europas nötig wären. Die EU und den Euroraum nur auf das Finanzielle zu reduzieren ist deshalb falsch und gefährlich.
    Auch verkennen diejenigen welche einen Austritt Griechenlands aus dem Euroraum fordern, dass das vermutlich der Anfang vom Ende für den Euro und die EU wäre, denn andere würden folgen. Wer jetzt „na und“ denkt, sieht die Dinge zu kurzsichtig. Deutschland wird ohne die EU und den Euro alleine auf Dauer wirtschaftlich nicht ganz vorne mitspielen können, dazu ist es zu klein. Hätten übrigens die Alliierten und Europäer nach nach dem 2. Weltkrieg und zur Wiedervereinigung keine Solidarität mit Deutschland gezeigt, dann wären die Entwicklungen im Lande vielleicht auch anders verlaufen.

  4. HJM sagt:

    Bravo, Herr Kosmidis! Alles richtig und noch dazu präzise formuliert.
    Ich wäre auch sehr, sehr für die Neuauflage eines „Marshall-Plans“, diesmal sozusagen EU-intern. Nur bitte sagen Sie mir: was soll wo wie mit wem aufgebaut/angeschoben werden? In Hellas kämpft jeder gegen jeden. „Kompromiß“ ist ein unbekanntes Wort. Nach meiner Einschätzung ist die Selbstbedienungsmentalität reif für den Lebenswerk-OSKAR. Also bitte: wer macht was mit wem und womit und füllt sich dabei nicht die Taschen? Könnten Sie dazu auch einen präzisen Vorschlag machen?

    • Abraam Kosmidis sagt:

      Lieber HJM,
      entgegen der landläufigen Meinung im Ausland ist nicht das ganze Volk korrupt. In Griechenland leben zB junge Menschen, welche hervorragend ausgebildet und charakterlich integer sind. Diese jungen Menschen bekommen in Griechenland keine Chance, sich beruflich einzubringen und leben bestenfalls von 400 Euro Jobs. Die Arbeitslsogkeit der Berufseinsteiger liegt bei teilweise über 40%. Abgeschafft gehören die bisherigen politischen Strukturen und die Verwaltung reorganisiert. Das menschliche Potential für die Umsetzung eines solchen Plans, ohne dass sich manche die Taschen füllen wäre also durchaus vorhanden.
      Die Umsetzung und Verwaltung eines solchen Plans sollte durch die Schaffung einer „Kreditanstalt für Wiederaufbau“, ähnlich der KfW in Deutschland durchgeführt werden. Aufgrund der schwachen Industrialisierung Griechenlands sollte erste Aufgabe der Aufbau von Industrie sein. Ferner sollte die Verwaltung modernisiert werden, etwa durch Ausbildung von Verwaltungsbeamten im Ausland.
      Das Thema ist ein weites Feld. Was alles in Griechenland geändert werden sollte, habe ich bereits vor ca. 2 Jahren in einem anderen Beitrag hier im Blog veröffentlicht.

  5. HJM sagt:

    Lieber Herr Kosmidis, wieder einmal haben Sie theoretisch recht. Aber was ist mit der Praxis? Selbstverständlich ist nicht „das ganze Volk korrupt“. Aber das „ganze Volk“ (wer auch immer das sein mag) hat nicht das geringste Vertrauen zu denjenigen, welche sich als politische Führung gerieren. Das haben wirklich alle über die Jahrzehnte gelernt, besser: lernen müssen. An Sie ganz persönlich: die Judikative, also die angeblich kontrollierende dritte Gewalt, ist ein -sorry- monströses Monument des Scheiterns. Es gibt sie nicht! Die Legislative produziert zahllose Gesetze und Verordnungen, die gut gemeint und völlig realitätsfern sind, die Exekutive strengt sich an, so gut wie möglich zu überleben. Und dann gibt es noch die vierte Gewalt: die Medien, in der Regel über TV. Privat und gesteuert. Total verantwortungslos. Nur quotengeil. Die USA können so etwas ab (daher stammt es ja auch), aber das winzige Hellas mit seiner ganz überwiegend keineswegs etwa dummen, aber doch unwissenden Bevölkerung?? Merkel, die Spätnazisse. Ist das nicht toll? Rösler, o vietnamesos… (wenistens nur ein zugelaufener Spätnazi)?
    Ich lasse es lieber.

    Und das wollen Sie mit einer KfW a la Grecque ändern? Hindert solches womöglich Anwälte daran, einem armseligen Albaner, der sich halbwegs legalisieren möchte, erst mal 500€ für geradezu eine Lächerlichkeit abzunehmen? Einen Arzt, vor dem potentiellen Patienten zu sinnieren, es gäbe wohl auch eine andere OP-Möglichkeit, aber die müsse leider, leider privat bezahlt werden? Oder gleich ganz direkt: ohne Rechnung soviel, mit derselben 40% mehr? Ich könnte mich noch weiter verbreiten, über Handwerker, Bauingenieure (höchst interessant) usw. usw.

    Tja.

    Oder ist all dies der wirkliche „Süden“, dessen Oberfläche die Deutschen so sehr lieben?

  6. Abraam Kosmidis sagt:

    Lieber HJM,
    die Nazidiskussion war und ist nie mein Ding gewesen. Ich werde mich hierzu deshalb auch an dieser Stelle dazu nicht äußern.
    Was ich aber nicht verstehe ist, was Sie mit Ihrem letzten Kommentar genau sagen möchten. Sie meinen ich hätte zwar theoretisch recht aber in der Praxis nicht ? Das würde bedeuten, dass Sie nicht an eine Zukunft für Griechenland und die Griechen glauben.

  7. HJM sagt:

    Lieber Herr Kosmidis, 1): freut mich („nicht Ihr Ding“), 2): Sie deuten mich schon richtig. Es fällt mir äußerst schwer, an eine Zukunft für Griechenland und die Griechen zu glauben. Mich erstaunt allerdings, daß Sie meinen hauptsächlichen Kritikpunkt doch souverän ignorieren: das komplette Fehlen einer wenigstens halbwegs funktionierenden Judikative. Wäre dies anders (gewesen), dann hätten sich Legislative und Exekutive nicht so ungehemmt und unheilvoll austoben können. Und das haben sie nun wahrlich und damit eine Unzahl von Epigonen geschaffen.

  8. HJM sagt:

    Lieber Herr Kosmidis, ganz kurz, denn ich will diesen Kommentar-blog nicht vom Thema weg mißbrauchen. Selbstverständlich gibt es immer eine ZUKUNFT. Wie denn auch sonst? Allerdings ist in der deutschen Sprache „eine Zukunft haben“ positiv besetzt, so wie umgekehrt negativ „keine Zukunft haben“. Also bitte keine Sophistik …

    • Abraam Kosmidis sagt:

      Lieber HJM, das war mir schon klar wie Sie das meinten und von mir bewußt so formuliert. Nur sollte man vielleicht in anderen zeitlichen Dimensionen denken. Griechenland hat jetzt seit mehreren tausend Jahren auch nach großen nationalen Herausforderungen letztendlich immer seinen Weg gefunden. Das wird auch nach dieser Krise so sein.

  9. […] Dies ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ist immer wieder zu betonen, dass die Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise in Griechenland nicht allein mit Spar- und Rationalisierungsmaßnahmen zu erzielen ist. Massenentlassungen, Lohn- und Rentenkürzungen, erheblichen Steuererhöhungen und der damit einhergehende Umsatzeinbruch des Einzelhandels führen letztendlich zu weiteren Entlassungen, Minderung der Steuereinnahmen, Umsatzeinbrüchen und Wirtschaftsschwund. Die Wirtschaft des Landes befindet sich deshalb in einer Abwärtsspirale und mittlerweile in einer tiefen Depression. Dies hat in Griechenland den steten Rückgang der Steuereinnahmen zur Folge, welche nach all diesen Maßnahmen nun noch niedriger sind, als vor ihrer Ergreifung. (Siehe hierzu auch Blogbeitrag vom 31.5.2011 Spart sich Griechenland in eine Depression?). Als zweites Standbein zur Sanierung der Finanzen des Landes sind deshalb neben dem Sparprogramm auch Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft und für die Schaffung von Wirtschaftswachstum erforderlich. Auch hierzu wurde an dieser Stelle wiederholt ausgeführt. (Blogbeitrag vom 10.2.2012 Sparmaßnahmen und Finanzhilfe für Griechenland sind ohne Investitionen sinnlos) […]

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert